Risen Test
Während die Redaktionen der einschlägigen Spielemagazine sich noch darüber streiten, ob Risen nun innovativ genug ist oder nicht und deswegen ein gutes oder ein nicht ganz so gutes Rollenspiel sei, steht die Meinung der Fans schon fest: Risen ist in großen Teilen genau das, was man will. Sehr viel von den ersten beiden Gothic-Titeln und dazu gibt's noch eine zeitgemäße Bedienung und Zugänglichkeit. Fans ist das genug Innovation. Hier muß nicht das Rollenspiel-Rad neu erfunden werden. Neue Reifen mit besserem Profil sind genug.
Die alten Fans der Gothic-Serie hoffen auf ein Spiel, das die typischerweise den ersten beiden Teilen zugeschriebenen Eigenschaften besitzt: Dazu gehören neben einer dicht erzählten Story eine Kapiteleinteilung, viele unverwechselbare NPC mit abwechslungsreichen Quests, die idealerweise auch einmal mehrere Lösungen besitzen und eine Welt, die zum Entdecken einlädt. Achja, erwähnte ich schon ein Kampfsystem, das eine taktische Komponente besitzt und Übung belohnt? Demgegenüber steht eine weitere Käuferschicht, die Gothic 3 im Grunde ganz gut fand und sich lediglich an der Unfertigkeit des Spiels störte, am Spielprinzip selbst aber nicht viel zu bemängeln hatte. Gelingt es Piranha Bytes mit ihrem neuesten Werk, beide Ansprüche unter einen Hut zu bringen?
Wo bin ich?
Piranha-Bytes-typisch beginnt die Geschichte mit einem fest vorgegebenen Namenlosen Charakter. Eine Charaktergenerierung entfällt somit und man steigt sofort in die Geschichte ein. Die ersten Minuten des spiels dürften vielen schon aus diversen Videos und Previews bekannt sein. Anders als in Gothic 2 oder Gothic 3, wo man sofort mit einem klaren Ziel, das auch die gesamte Geschichte betraf, losgeschickt wurde, wirkt Risen in dem Punkt wieder mehr wie Gothic 1: Am Anfang steht man ahnungs- und mittellos am Strand und muss sich erst selbst Geschichte und Zusammenhänge erarbeiten. Um Anfänger nicht ganz so unbedarft auf die Spielwelt loszulassen, gibt der Tutorial-Charakter Sara einige Hinweise etwa zum Kampf, zur einzuschlagenden Richtung oder zur Verwendung von Items. Wer das nicht mag, lässt Sara im Wortsinne links liegen und macht sich auf eigene Faust auf, die Insel zu erkunden.
Schon am Anfang werden die verschiedenen Fraktionen, denen man sich anschließen kann, offenbart. Jedoch kann man seine Entscheidung noch das gesamte erste Kapitel hinauszögern.
Um sich den Fraktionen anzuschließen, müssen typischerweise bestimmte Aufgaben erledigt werden, die am Ende dazu führen, dass man sich fest an eine Fraktion bindet. Die weitere Geschichte erlebt man dann aus der Sicht dieser Fraktion. Eine klare Rückkehr zum System wie es aus den ersten beiden Gothic-Teilen bekannt war. Der Wiederspielwert ergibt sich hierbei aus den je nach Fraktionszugehörigkeit unterschiedlichen Verläufen von Teilen der Story und nicht aus der schieren Größe der Welt. Während Gothic 3 vor allem durch Weitläufigkeit auf sich aufmerksam machte, ist man bei Risen wieder zu einer kleineren, kompakteren Spielwelt zurückgekehrt. Um jedoch genügend verschiedene interessante Orte für die verschiedenen Quests zu haben und dem Spieler in der Hauptstory auch immer wieder neue Locations zur Verfügung zu stellen, ist die Insel Faranga, auf der der Held in Risen gestrandet ist, sehr verwinkelt. Auf mehreren Ebenen wechseln sich Sümpfe, Graslandschaften, Wälder und Canyons ab, Wasserfälle lassen die Geländestufen hier und da noch deutlicher hervortreten. Sie vermitteln so einerseits die Schroffheit der Insel und heben gleichzeitig die weiche naturromantische Seite der Spielwelt hervor. Steile Klippen und senkrechte Felswände unterteilen die Spielwelt zusätzlich und verhindern zu viele Sichtachsen quer über die Insel. Hinter jeder Wegbiegung bietet sich dem Spieler ein anderes Panorama. Friedliche Bauernhöfe wechseln sich mit düsteren Sumpflandschaften und manchmal dichten, manchmal sonnendurchfluteten Waldgebieten ab. Zusätzlich finden sich jede Menge Höhlen, Tempelruinen und Dungeons. Diese sind in Risen alle von Hand gestaltet. Keine Höhle und kein Dungeon gleicht dem anderen. Normale Höhlen werden oft von Gnomgruppen oder Wolfsrudeln bevölkert. Gefährliche Ghule lauern in dunklen Hinterhalte, um blitzschnell anzugreifen. Dungeons hingegen, die durch die überall hervorbrechenden alten Tempelruinen ebenso zahlreich auf der Insel vorhanden sind, enthalten Schlimmeres. Es lauern nicht nur tödliche Fallen, die oft mittels Magie entschärft werden müssen, sondern auch noch stärkere, gefährlichere und tödlichere Gegner. Aschebiester sind nur einer davon. Die Dungeons erreichen zwar nicht die imposante Tiefe einer alten Mine aus Gothic 1 und die uralten Höhlensäle der Tempel sind auch nicht so hoch und fast uferlos wie die großen Säle des Schläfertempels, aber die geheimen unterirdischen Bauten, auf die man im Laufe des Spiels unweigerlich treffen wird, vermitteln trotzdem eine Art Schläfertempelgefühl. Kochende Lava fließt in Spalten tief unter halb zerstörten Brücken, verwinkelte Gänge führen in unbekannte dunkle Tiefen und Schutzmechanismen machen bewusst, dass man hier feindlicher Eindringling ist.
Doch bevor es soweit ist, wird man erst einige Male über die Insel gescheucht. So bildet nicht nur das Lager der Banditen im Sumpf eine Anlaufstelle, sondern auch die Hafenstadt, in der sich jede Menge Quests finden lassen. Hier - und noch mehr in der Vulkanfestung - kommt wieder eine Queststruktur zum Tragen, wie man sie aus den ersten beiden Gothic-Spielen kennt. Teilweise ineinander verschachtelte Quests, die sich erst nach Befragung verschiedener Personen offenbaren, wechseln mit Aufgaben, die man trickreich lösen kann. Etwas zu kurz kommt die Möglichkeit, Quests auf verschiedene Art zu lösen, die weitaus meisten Quests haben lediglich eine Lösung. Die Hafenstadt selbst ist abwechslungsreich gestaltet, Verwinkelte Gassen teilen die Stadt in mehrere kleine Viertel mit spezifischem Aussehen ein. Bevölkert werden diese von einer Vielzahl Charakteren. Die Modelle sind bei den männlichen NPC auch recht abwechslungsreich und wiederholen sich nicht allzu oft, so dass man nicht das Gefühl hat, einer Klonarmee gegenüber zu stehen. Leider gibt's für die dann doch eher wenigen weiblichen Charaktere im Spiel lediglich zwei verschiedene Modelle mit etwas merkwürdigen Proportionen, die bei einigen Animationen erst richtig auffallen. Trotzdem haben sich die Animationen im Gegensatz zu Gothic 3 verbessert. Während im Vorgängerspiel die NPC bei Dialogen übertriebene Bewegungen machten, wirkt dies in Risen nun viel natürlicher. Auch ist der Plastik-Look aus Gothic 3 verschwunden, NPC-Gesichter und die Kleidung wirken organischer, echter. Hakennasen, Narben, Vollbärte, dicke und hagere Personen, Glatzen und Wuschelköpfe. Die Vielfalt ist recht groß. Auch die Sprecher wiederholen sich nicht allzu häufig, so dass genug Abwechslung vorhanden ist. Die Optik der NPC erinnert wieder mehr an die älteren Gothic-Spiele. Natürlich sind die Modelle viel detaillierter, aber sowohl die Dialoge als auch das generelle Design von Gesichtern und Kleidung versprüht wieder den rauen, urigen Charme der Figuren aus Gothic 1 oder 2.