02.03.2013 19:35
[Interviews (deutsch)]
Russische User stellen ihre Fragen Ex - Piranha Ralf Marczinczik
Im russischen Bereich der WoR hat unsere liebe elind, die dortige Chefin der WoR, Fragen gesammelt, welche von den russischen Usern an den ehemaligen Piranha Ralf Marczinczik gestellt werden konnten. Das anschließende Interview, bei dem elind dann Ralf die gesammelten Fragen gestellt hat, liegt uns Dank elind nun auch in deutscher Version vor. Vielen Dank auch an Ralf für seine geduldigen Antworten und die Freigabe des Interviews in deutscher Version.
Erster Teil (Allgemeine Fragen), bereits von Ralf auf seinem Blog veröffentlicht:
Piranha Bytes:
1. Stehst Du noch in Kontakt mit Deinen ehemaligen Kollegen von Piranha Bytes?
Könnt ihr euch noch auf einander verlassen? Helft ihr einander, z.B. bei der Suche nach einem neuen Job? Oder mit einem Rat?
Also, gibt es noch eine Art berufliches und menschlich-soziales Gemeinschaftsgefühl zwischen noch bei PB arbeitenden Piranhas und Ex-Piranhas?
Mit den jetzigen PBs habe ich leider nur noch Kontakt, wenn wir uns auf Fachveranstaltungen über den Weg laufen. Aber mit Tom, Stefan und Kai habe ich privat noch sehr viel zu tun. Erst gestern war ich mit Stefan essen…
Erst kürzlich, zu Alex Beerdigung, hatten wir einander, um uns Trost zu spenden- und das war sehr schön.
2. Wenn man Dich seitens PB heute zur Arbeit an einem neuen PB-Projekt einladen würde, würdest Du Dich eher dazu bereit erklären oder würdest Du diese Einladung auf jeden Fall ablehnen?
Ich würde sicher abwägen müssen, ob ich die Zeit dazu finde. Aber ich mag die Gothic-Welt noch immer, und wäre sehr versucht, etwas dazu beizutragen.
3. Wäre es realistisch gesehen vorstellbar, dass alle Piranhas, die das Studio im Laufe der Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen schon verlassen haben, noch einmal miteinander kooperieren und ein Traum-Spiel für die Gothic-Fans der ersten Stunde entwickeln? ;-)
Das ist leider nicht realistisch. Ein wichtiges Ingredient (Alex) ist tragischerweise nicht mehr verfügbar- und alle anderen sind natürlich bis über die Ohren in anderen Firmen engagiert.
Das Leben geht halt weiter- und es gibt keine Mäzene, die sich Traumteams aussuchen und Projekte realisieren, die sie selber gerne spielen würden.
Game-Industrie:
1. Wie stark hat sich die Game-Industrie seit den Zeiten des ersten Gothics verändert? Welche Veränderungen findest Du negativ und welche positiv?
Meiner Erfahrung nach ist alles viel professioneller geworden. Aber noch immer springen Projekte gerne mal von den Gleisen, und auch die durchschnittliche Lebenszeit der Spielefirmen (zischen 3-6 Jahren) ist leider immer noch recht kurz. Wenn man keinen Konzern im Rücken hat, der Projekte finanziell ausstatten kann, trägt das oft Zwist in die Teams, da einen Enthusiasmus für ein Projekt nicht alleine ernährt.
2. Gibt es einen sicheren Schlüssel zum hundertprozentigen Erfolg eines Spieles?
Wie kann man endlich das beste RPG aller Zeiten entwickeln? :-D
Das Gemeine ist, dass sich die Technik nach wie vor rasend schnell weiterentwickelt- und jedes Spiel, dass eine Entwicklungszeit von 3 Jahren oder mehr benötigt, eigentlich schon veraltet ist, wenn es auf den Markt kommt. Erzälerisch und Spieltechnisch muss man sich also von technischen Gegebenheiten frei machen.
Hinzu kommt, dass wir eine so weit gefächerte Genrelandschaft haben, dass man kaum das RPG machen kann, das wirklich allen gefällt. Schließlich wird jedem Geschmack schon ganz schön was angeboten. Ob Science Fiction, Fantasy, Horror oder Echtwelt-Hintergrund.
Ich glaube daher nicht, dass das perfekte RPG überhaupt möglich ist. Aber man kann ja immer hoffen. Und das motiviert.
3. Was denkst Du über das neueste Witcher-Spiel - The Witcher 3: Wild Hunt vom polnischen Studio CD Project RED?
Interessant, weil ich darüber las- aber da ich es noch nicht gespielt habe, habe ich noch keine Meinung dazu.
Es erinnert uns ein wenig an eure grandiosen Pläne zu Gothic 3, die dann nur teilweise und mit vielen Problemen für euch und die Spieler realisiert wurden.
Welche Schwierigkeiten erwarten die Jungs von CDP auf diesem Wege?
Das Geld darf nur nicht knapp werden. Und natürlich hilft es, im Zweifelsfall am ursprünglichen Plan festzuhalten.
4. Früher waren die Piranhas für ihre maximal-möglichste Community-Nähe und -Offenheit bekannt. Inzwischen haben sie sich allerdings maximal von ihrer Community entfernt.
Es hat den Anschein, als ob sie ihre treue Fan-Base überhaupt nicht mehr im Auge haben und haben wollen.
Wo liegt, Deiner Meinung nach, das Problem? Hängt so etwas vom Publisher oder vom Entwickler ab?
Nee- die Betreuung der Fans hing bei PB immer vom persönlichen Engagement einzelner Mitarbeiter ab. Es war schon immer eine Charaktersache (Kai hatte da eine ganz wunderbare Phase gehabt- und auch mir hat es sehr viel Spaß gemacht)- und nie Teil der Firmenpolitik.
Wenn gerade niemand die Zeit oder Muße hat, sich im Fanbereich zu engagieren, so lässt das nur darauf schließen, dass sich da niemand gerade zeitmäßig engagieren kann oder mag.
5. Inwieweit sind Entwickler von ihrer Community abhängig und inwieweit müssen sie sich genötigt fühlen, deren Wünsche im Auge zu behalten? Müssen sie die meisten Wünsche ihrer Fans erfüllen, um ihre potenziellen Käufer zufrieden zu stellen? Oder ist es besser, bis zum letzten noch vorhandenen Käufer zu experimentieren, um eigene schöpferische Ambitionen zu realisieren? Oder gar um eine neue Käufer-Schicht zu gewinnen, da die alte sowieso einfach nur aus „Betonköpfen“ besteht? ;-)
Ich fürchte, hier gilt das klassische kaufmännische Kalkül: Solange sich die Investition in ein Studio für den Publisher rentiert und das Spiel einen Gewinn abwirft, solange wird noch ein Nachfolger produziert. Die Community ist nicht unwichtig- auch auf Seiten des Publishers, der sich um die PR kümmert- und eine treue Fangemeinde hilft, ein vernünftiges Budget für ein Spiel zusammen zu bekommen.
Auf Innovation darf man aber dann nicht hoffen- denn Fangemeinden haben oft den Wunsch, bei einer Fortsetzung das selbe- aber anders- präsentiert zu bekommen.
Spiele als Hobby:
1. Welche bekannten Spiele hast Du in der letzten Zeit durchgespielt und welche von ihnen haben Dir am meisten gefallen? In erster Linie RPGs?
Was spielst Du momentan?
Ni no Kuni- und ich liebe es! Und Assassins Creed 3. Beides frisst mehr Zeit als ich eigentlich in sie investieren möchte.
2. Interessierst Du Dich eigentlich für Fan-Modifikationen? Oder ist Dir das weitere Schicksal der PB-Spiele völlig egal?
Wenn nicht, was hälst Du von Großprojekten wie dem G3-Questpaket, der Content Mod oder dem sich noch in Entwicklung befindenden Community Story Project?
Ich beobachte die Mods am Rande- spiele aber so gut wie nie welche. Ist ein Spiel einmal abgeschlossen, kehre ich zum Zeitvertreib, und wenn es auch nur zum Spielen von Mods, so gut wie nie zurück. Schließlich hat das Projekt schon die letzten Jahre verschlungen- und ich persönlich brenne dann darauf, mich neuem zuwenden zu können. Jedoch unterstütze ich Modder wo immer ich kann, denn ich finde die Mod-Szene verlängert die Lebenszeit von Spielen ungemein. Und bei Spielen, die ich nicht selbst mitentwickelt habe, besorge ich mir ja auch den einen oder anderen Mod…
3. Wann hast Du das letzte Mal Gothic erneut durchgespielt? Welche Emotionen hast Du dabei durchlebt?
Oder zieht es Dich niemals zu diesem Meisterwerk zurück?
Gothic 1 liegt schon gut 8 Jahre für mich zurück. Es war ein wenig wie alte Urlaubsfotos sehen: Viele schöne Erinnerungen und Plätze und Personen, die man noch immer mag.
Zweiter Teil (Individuelle Fragen), erstmalige Veröffentlichung in deutscher Sprache:
Heutiger Job, Pläne:
1. Ralf, es ist ja allen Gothic-Fans bekannt, dass Du an Gothic, Gothic 3 und Risen als Konzept-Artist und Artdirektor gearbeitet hast.
Hattest Du dabei konkrete Ideen und Pläne zu einem bestimmten Setting von den Gamedesignern vorgegeben bekommen und sie nur visualisieren müssen? Oder hattest Du als Artdirektor Möglichkeiten, ein Setting irgendwie zu beeinflussen und zu verändern, falls Dir selber ganz frische Ideen dazu kamen?
Wer hatte eigentlich das letzte Wort und entschied, welche Deiner Artworks für das Spiel passend seien und welche nicht?
Das ist immer eine Frage des Gefühls. Merke ich, dass Ideen noch nicht präzise in den Köpfen der Gamedesigner ausgebildet sind, habe ich eine gute Gelegenheit, eigene Vorstellungen mit einfließen zu lassen. Es wird für mich natürlich viel einfacher, wenn jemand genau weiß, was er haben möchte- aber das ist eher seltener der Fall. Am Ende aber entscheidet immer der Gamedesigner, was in sein Speil passt- und was nicht. Diese Hierarchie macht auch Sinn- denn sonst passt am Ende nichts zusammen, weil zu viele Köche am Topf rühren.
2. Könntest Du uns sagen, in welchen Studios Du in der letzten Zeit gearbeitet hast? Als Freelancer oder als Mitglied des Teams?
Meine Position ist immer auch beides, da ich mich auch oft um die anderen Grafiker im Team sorge. Bei Flaregames arbeite ich zwar als Freiberufler, um meinen Comic realisieren zu können, versuche aber auch gleichzeitig allen anderen Projekten und Grafikern als Artdirector und Grafikleiter zur Verfügung zu stehen.
3. Würdest Du uns etwas über die Spiele erzählen, an denen Du als Konzept-Artist gearbeitet hast, nachdem Du die Piranhas verlassen hattest?
Welche Spiele findest Du besonders gelungen und warum?
Ich hatte Gelegenheit an den Siedler Games (Ubisoft) zu arbeiten, was ich sehr genossen habe, da ich mich zur Abwechselung mal nur einen kleinen Teil des Projekts als Concept Artist widmen durfte. Für mich ist das wie Urlaub, da ich sonst den Overall Look allen anderen Grafikern vermitteln muss.
Danach kamen viele Jobs aus der Werbung, was ebenfalls recht nett war, da ich alle 2-3 Tage etwas komplett anderes gemacht habe. Storyboards, Retusche, Illustration. Das schärft die Fähigkeiten- und ist auch recht gut für´s Bank-Konto. Danach begann ich bei Flare-Games und Ubisoft, diverse Mobil-Spiele zu betreuen. Das war wirklich sehr schön, denn die Projekte sind nach 3-6 Monaten abgeschlossen und man verbringt nicht mehrere Jahre mit Material, das vielleicht nie jemand zu Gesicht bekommt.
4. Was bevorzugst Du: an einem Indie-Projekt zu arbeiten, das wirklich sehr innovativ, prägend und künstlerisch wertvoll ist, aber vermutlich nicht so viel Geld einbringen wird, oder an einem AAA-Projekt zu arbeiten, das vielleicht viel Geld einbringen wird, aber für Dich kaum interessant ist?
Geld oder Kunst? :-D
Im Zweifelsfall Kunst- da mich nie jemand fragt, wie viel ich verdient, sondern woran ich gearbeitet habe. Eine gute Reputation und bekannte Titel sind in meinem Job als Freelancer unglaublich wichtig. Das Finanzielle regelt sich dann auch oft schnell…
5. Wann können wir uns Deine neuesten Artworks oder Illustrationen (zu einem Spiel, Buch oder zu etwas anderem) anschauen?
Im Moment arbeite ich an 5 Titeln gleichzeitig, und so wie ich meinen Job als Artdirector verstehe, helfe ich ANDEREN Grafikern, die jeweils das Spiel zum Großteil mit Grafik ausstatten bei Designentscheidungen und Engpässen. Ich bin garnicht so versessen darauf, das Spiele MEINE Handschrift tragen, sondern genieße die Zusammenarbeit, da ich den Stil ANDERER verfeinert sehen möchte.
Also habe ich mit jedem Flaregames-Titel ein wenig zu tun- aber auch ich tue mich schwer, meine Hand darin wieder zu finden. Eigene Projekte verwirkliche ich ja in meiner Freizeit bei den Comics.
Comics:
1. Wie weit bist Du mit "WEISSE LÜGEN" voran gekommen? Bis wann planst Du, diese Deine Graphic Novel fertig zu stellen? Oder möchtest Du Dich dabei nicht in einen engen Zeit-Rahmen pressen lassen und willst Dir etwas mehr Freiheit nehmen, bis der Comic am Ende dann genau so geworden ist, wie Du ihn Dir heute in Deinen Träumen vorstellst?
Die letzten Monate habe ich damit zugebracht, Material, das nach meinem Festplattencrash verloren war, wieder zu rekonstruieren- und sitze endlich wieder an neuen Seiten. Einen festen Zeitplan habe ich nicht- aber ich versuche so schnell es geht damit weiter zu kommen.
Zum Glück aber habe ich keinen Zeitdruck- sonst wäre die Arbeit daran sicher nicht der Spaß, den ich damit habe.
2. Können wir darauf hoffen, dass wir uns irgendwann einmal "WEISSE LÜGEN" nicht nur anschauen, sondern auch auf russisch durchlesen werden können?
Meine gute Freundin Aliona hat netterweise angeboten, eine russische Übersetzung anzufertigen sobald erste Kapitel komplett sind. Also sollte eine zeitnahe Übersetzung kein Problem darstellen.
3. Was denkst Du in Bezug auf das weitere Schicksal des Mediums Comic? In Russland sind Comics nicht besonders populär. Wird sich dieses Medium in Zukunft irgendwie weiter entwickeln? Oder hat es wenig Perspektive neben dem Kino und Videospielen?
Hier in Deuschland sind Comics auch nicht gerade jedermanns Lieblingslektüre. Und als ich vor einigen Monaten an einer Schule unterrichtete, fand ich es sehr ernüchternd, feststellen zu müssen, daß, wenn überhaupt Comics gelesen werden, eher die weniger lesenswerten Mangatitel gekauft werden. Dabei gibt es auch da echte Meisterwerke…
:-(
Digitale Comics gehen aber nach wie vor recht gut- besonders wenn sie umsonst sind.
Als Medium werden sie aber sicher nie so Massenzugänglich werden wie Filme oder Games.
4. Welche Ratschläge würdest Du einem jungen Comic-Autoren geben?
Man sollte finanzielle Interessen hinten anstellen- sonst wird man nur endtäuscht.
Wenn man sich damit abgefunden hat, von Comics nicht leben zu müssen, so kann man die Arbeit daran auf eine völlig neue Art genießen., Zumindest ergeht es mir so….
Filme, Literatur und andere Hobbys:
1. Welche Filme haben Dich in letzter Zeit besonders stark beeindruckt? Welche neuen Filme erwartest Du voller Ungeduld?
Beeindruckt: Les Miserables, Argo, Cloud Atlas, Django Unchained, The Hobbit
Erwartet: Stoker, Upside Down.
2. Welcher Film war Dein Favorit bei der diesjährigen Verleihung der Oscars? Bist Du mit der letzten Oskar-Verleihung völlig zufrieden?
Life of Pi!
Zufrieden?- ich denke schon. Besonders Daniel Day Lewis Oscar für Lincoln war klar verdient!
3. An welchem Film würdest Du gerne als Art-Direktor arbeiten/hättest Du gerne als Art-Direktor gearbeitet gehabt? Bezogen auf alle Filme, von denjenigen, die in der Vergangenheit bereits gedreht wurden, bis hin zu denen, von denen nur der zukünftige Drehstart bekannt ist?
Alles, was von David Lean war. John Box, der Artdirector seiner Filme, ist ein Idol für mich. Und ich glaube, Artdirection bei einem Film von Ridely Scott ist ein tolles Lernerlebnis.
4. Welchen Film hättest Du gerne selber gedreht gehabt?
Lawrence of Arabia, Come and See: Иди и смотри
5. Arbeitest Du lieber in vollkommener Stille oder mit Musik in den Kopfhörern? Wenn Du Musik bevorzugen solltest - welche Stücke hörst Du dann am liebsten bei der Arbeit?
Ambient Musik. Also Biosphere, Hol Baumann oder andere „Klangtapeten“, die nicht zu sehr von der Arbeit abhalten- aber eine besondere Atmosphäre entfalten.
6. Spezial - Frage von sonnedre: Ich mag sehr gerne Wikinger und alles, was zu diesen dazu gehört.
http://forum.worldofplayers.de/forum...748-Viking-FAQ
Interessierst Du Dich für dieses Thema?
In Nordmar gab es viele Andeutungen auf Wikinger. Wo hattest Du die Inspirationen dafür gefunden gehabt?
Die Inspiration dazu kam von Michael Crichton´s EATERS OF THE DEAD, das auch als THE 13TH WARRIOR verfilmt wurde. Ich mag Vikinger- und mochte besonders die Interpretation der Stilelemente in HOW TO TAME YOUR DRAGON.
7. Könntest Du uns ein paar Worte zu Risen 2 sagen, falls Du es durchgespielt haben solltest?
Durchgespielt? Leider nicht. Ich finde, es ist ein solider Handwerklich gut gemachter Teil. Nur sprang bei mir der Funke nicht über…
Die Fragen stammen von: AgooreZ, Digan, sonnedre, Vladgamer, StoneCookie, Olor1n, Meuterer, Rever, zandr, Energorus, Lord Von, ed2ken, LEDsky, elind.
Das Interview führte elind
Erster Teil (Allgemeine Fragen), bereits von Ralf auf seinem Blog veröffentlicht:
Piranha Bytes:
1. Stehst Du noch in Kontakt mit Deinen ehemaligen Kollegen von Piranha Bytes?
Könnt ihr euch noch auf einander verlassen? Helft ihr einander, z.B. bei der Suche nach einem neuen Job? Oder mit einem Rat?
Also, gibt es noch eine Art berufliches und menschlich-soziales Gemeinschaftsgefühl zwischen noch bei PB arbeitenden Piranhas und Ex-Piranhas?
Mit den jetzigen PBs habe ich leider nur noch Kontakt, wenn wir uns auf Fachveranstaltungen über den Weg laufen. Aber mit Tom, Stefan und Kai habe ich privat noch sehr viel zu tun. Erst gestern war ich mit Stefan essen…
Erst kürzlich, zu Alex Beerdigung, hatten wir einander, um uns Trost zu spenden- und das war sehr schön.
2. Wenn man Dich seitens PB heute zur Arbeit an einem neuen PB-Projekt einladen würde, würdest Du Dich eher dazu bereit erklären oder würdest Du diese Einladung auf jeden Fall ablehnen?
Ich würde sicher abwägen müssen, ob ich die Zeit dazu finde. Aber ich mag die Gothic-Welt noch immer, und wäre sehr versucht, etwas dazu beizutragen.
3. Wäre es realistisch gesehen vorstellbar, dass alle Piranhas, die das Studio im Laufe der Zeit aus den unterschiedlichsten Gründen schon verlassen haben, noch einmal miteinander kooperieren und ein Traum-Spiel für die Gothic-Fans der ersten Stunde entwickeln? ;-)
Das ist leider nicht realistisch. Ein wichtiges Ingredient (Alex) ist tragischerweise nicht mehr verfügbar- und alle anderen sind natürlich bis über die Ohren in anderen Firmen engagiert.
Das Leben geht halt weiter- und es gibt keine Mäzene, die sich Traumteams aussuchen und Projekte realisieren, die sie selber gerne spielen würden.
Game-Industrie:
1. Wie stark hat sich die Game-Industrie seit den Zeiten des ersten Gothics verändert? Welche Veränderungen findest Du negativ und welche positiv?
Meiner Erfahrung nach ist alles viel professioneller geworden. Aber noch immer springen Projekte gerne mal von den Gleisen, und auch die durchschnittliche Lebenszeit der Spielefirmen (zischen 3-6 Jahren) ist leider immer noch recht kurz. Wenn man keinen Konzern im Rücken hat, der Projekte finanziell ausstatten kann, trägt das oft Zwist in die Teams, da einen Enthusiasmus für ein Projekt nicht alleine ernährt.
2. Gibt es einen sicheren Schlüssel zum hundertprozentigen Erfolg eines Spieles?
Wie kann man endlich das beste RPG aller Zeiten entwickeln? :-D
Das Gemeine ist, dass sich die Technik nach wie vor rasend schnell weiterentwickelt- und jedes Spiel, dass eine Entwicklungszeit von 3 Jahren oder mehr benötigt, eigentlich schon veraltet ist, wenn es auf den Markt kommt. Erzälerisch und Spieltechnisch muss man sich also von technischen Gegebenheiten frei machen.
Hinzu kommt, dass wir eine so weit gefächerte Genrelandschaft haben, dass man kaum das RPG machen kann, das wirklich allen gefällt. Schließlich wird jedem Geschmack schon ganz schön was angeboten. Ob Science Fiction, Fantasy, Horror oder Echtwelt-Hintergrund.
Ich glaube daher nicht, dass das perfekte RPG überhaupt möglich ist. Aber man kann ja immer hoffen. Und das motiviert.
3. Was denkst Du über das neueste Witcher-Spiel - The Witcher 3: Wild Hunt vom polnischen Studio CD Project RED?
Interessant, weil ich darüber las- aber da ich es noch nicht gespielt habe, habe ich noch keine Meinung dazu.
Es erinnert uns ein wenig an eure grandiosen Pläne zu Gothic 3, die dann nur teilweise und mit vielen Problemen für euch und die Spieler realisiert wurden.
Welche Schwierigkeiten erwarten die Jungs von CDP auf diesem Wege?
Das Geld darf nur nicht knapp werden. Und natürlich hilft es, im Zweifelsfall am ursprünglichen Plan festzuhalten.
4. Früher waren die Piranhas für ihre maximal-möglichste Community-Nähe und -Offenheit bekannt. Inzwischen haben sie sich allerdings maximal von ihrer Community entfernt.
Es hat den Anschein, als ob sie ihre treue Fan-Base überhaupt nicht mehr im Auge haben und haben wollen.
Wo liegt, Deiner Meinung nach, das Problem? Hängt so etwas vom Publisher oder vom Entwickler ab?
Nee- die Betreuung der Fans hing bei PB immer vom persönlichen Engagement einzelner Mitarbeiter ab. Es war schon immer eine Charaktersache (Kai hatte da eine ganz wunderbare Phase gehabt- und auch mir hat es sehr viel Spaß gemacht)- und nie Teil der Firmenpolitik.
Wenn gerade niemand die Zeit oder Muße hat, sich im Fanbereich zu engagieren, so lässt das nur darauf schließen, dass sich da niemand gerade zeitmäßig engagieren kann oder mag.
5. Inwieweit sind Entwickler von ihrer Community abhängig und inwieweit müssen sie sich genötigt fühlen, deren Wünsche im Auge zu behalten? Müssen sie die meisten Wünsche ihrer Fans erfüllen, um ihre potenziellen Käufer zufrieden zu stellen? Oder ist es besser, bis zum letzten noch vorhandenen Käufer zu experimentieren, um eigene schöpferische Ambitionen zu realisieren? Oder gar um eine neue Käufer-Schicht zu gewinnen, da die alte sowieso einfach nur aus „Betonköpfen“ besteht? ;-)
Ich fürchte, hier gilt das klassische kaufmännische Kalkül: Solange sich die Investition in ein Studio für den Publisher rentiert und das Spiel einen Gewinn abwirft, solange wird noch ein Nachfolger produziert. Die Community ist nicht unwichtig- auch auf Seiten des Publishers, der sich um die PR kümmert- und eine treue Fangemeinde hilft, ein vernünftiges Budget für ein Spiel zusammen zu bekommen.
Auf Innovation darf man aber dann nicht hoffen- denn Fangemeinden haben oft den Wunsch, bei einer Fortsetzung das selbe- aber anders- präsentiert zu bekommen.
Spiele als Hobby:
1. Welche bekannten Spiele hast Du in der letzten Zeit durchgespielt und welche von ihnen haben Dir am meisten gefallen? In erster Linie RPGs?
Was spielst Du momentan?
Ni no Kuni- und ich liebe es! Und Assassins Creed 3. Beides frisst mehr Zeit als ich eigentlich in sie investieren möchte.
2. Interessierst Du Dich eigentlich für Fan-Modifikationen? Oder ist Dir das weitere Schicksal der PB-Spiele völlig egal?
Wenn nicht, was hälst Du von Großprojekten wie dem G3-Questpaket, der Content Mod oder dem sich noch in Entwicklung befindenden Community Story Project?
Ich beobachte die Mods am Rande- spiele aber so gut wie nie welche. Ist ein Spiel einmal abgeschlossen, kehre ich zum Zeitvertreib, und wenn es auch nur zum Spielen von Mods, so gut wie nie zurück. Schließlich hat das Projekt schon die letzten Jahre verschlungen- und ich persönlich brenne dann darauf, mich neuem zuwenden zu können. Jedoch unterstütze ich Modder wo immer ich kann, denn ich finde die Mod-Szene verlängert die Lebenszeit von Spielen ungemein. Und bei Spielen, die ich nicht selbst mitentwickelt habe, besorge ich mir ja auch den einen oder anderen Mod…
3. Wann hast Du das letzte Mal Gothic erneut durchgespielt? Welche Emotionen hast Du dabei durchlebt?
Oder zieht es Dich niemals zu diesem Meisterwerk zurück?
Gothic 1 liegt schon gut 8 Jahre für mich zurück. Es war ein wenig wie alte Urlaubsfotos sehen: Viele schöne Erinnerungen und Plätze und Personen, die man noch immer mag.
Zweiter Teil (Individuelle Fragen), erstmalige Veröffentlichung in deutscher Sprache:
Heutiger Job, Pläne:
1. Ralf, es ist ja allen Gothic-Fans bekannt, dass Du an Gothic, Gothic 3 und Risen als Konzept-Artist und Artdirektor gearbeitet hast.
Hattest Du dabei konkrete Ideen und Pläne zu einem bestimmten Setting von den Gamedesignern vorgegeben bekommen und sie nur visualisieren müssen? Oder hattest Du als Artdirektor Möglichkeiten, ein Setting irgendwie zu beeinflussen und zu verändern, falls Dir selber ganz frische Ideen dazu kamen?
Wer hatte eigentlich das letzte Wort und entschied, welche Deiner Artworks für das Spiel passend seien und welche nicht?
Das ist immer eine Frage des Gefühls. Merke ich, dass Ideen noch nicht präzise in den Köpfen der Gamedesigner ausgebildet sind, habe ich eine gute Gelegenheit, eigene Vorstellungen mit einfließen zu lassen. Es wird für mich natürlich viel einfacher, wenn jemand genau weiß, was er haben möchte- aber das ist eher seltener der Fall. Am Ende aber entscheidet immer der Gamedesigner, was in sein Speil passt- und was nicht. Diese Hierarchie macht auch Sinn- denn sonst passt am Ende nichts zusammen, weil zu viele Köche am Topf rühren.
2. Könntest Du uns sagen, in welchen Studios Du in der letzten Zeit gearbeitet hast? Als Freelancer oder als Mitglied des Teams?
Meine Position ist immer auch beides, da ich mich auch oft um die anderen Grafiker im Team sorge. Bei Flaregames arbeite ich zwar als Freiberufler, um meinen Comic realisieren zu können, versuche aber auch gleichzeitig allen anderen Projekten und Grafikern als Artdirector und Grafikleiter zur Verfügung zu stehen.
3. Würdest Du uns etwas über die Spiele erzählen, an denen Du als Konzept-Artist gearbeitet hast, nachdem Du die Piranhas verlassen hattest?
Welche Spiele findest Du besonders gelungen und warum?
Ich hatte Gelegenheit an den Siedler Games (Ubisoft) zu arbeiten, was ich sehr genossen habe, da ich mich zur Abwechselung mal nur einen kleinen Teil des Projekts als Concept Artist widmen durfte. Für mich ist das wie Urlaub, da ich sonst den Overall Look allen anderen Grafikern vermitteln muss.
Danach kamen viele Jobs aus der Werbung, was ebenfalls recht nett war, da ich alle 2-3 Tage etwas komplett anderes gemacht habe. Storyboards, Retusche, Illustration. Das schärft die Fähigkeiten- und ist auch recht gut für´s Bank-Konto. Danach begann ich bei Flare-Games und Ubisoft, diverse Mobil-Spiele zu betreuen. Das war wirklich sehr schön, denn die Projekte sind nach 3-6 Monaten abgeschlossen und man verbringt nicht mehrere Jahre mit Material, das vielleicht nie jemand zu Gesicht bekommt.
4. Was bevorzugst Du: an einem Indie-Projekt zu arbeiten, das wirklich sehr innovativ, prägend und künstlerisch wertvoll ist, aber vermutlich nicht so viel Geld einbringen wird, oder an einem AAA-Projekt zu arbeiten, das vielleicht viel Geld einbringen wird, aber für Dich kaum interessant ist?
Geld oder Kunst? :-D
Im Zweifelsfall Kunst- da mich nie jemand fragt, wie viel ich verdient, sondern woran ich gearbeitet habe. Eine gute Reputation und bekannte Titel sind in meinem Job als Freelancer unglaublich wichtig. Das Finanzielle regelt sich dann auch oft schnell…
5. Wann können wir uns Deine neuesten Artworks oder Illustrationen (zu einem Spiel, Buch oder zu etwas anderem) anschauen?
Im Moment arbeite ich an 5 Titeln gleichzeitig, und so wie ich meinen Job als Artdirector verstehe, helfe ich ANDEREN Grafikern, die jeweils das Spiel zum Großteil mit Grafik ausstatten bei Designentscheidungen und Engpässen. Ich bin garnicht so versessen darauf, das Spiele MEINE Handschrift tragen, sondern genieße die Zusammenarbeit, da ich den Stil ANDERER verfeinert sehen möchte.
Also habe ich mit jedem Flaregames-Titel ein wenig zu tun- aber auch ich tue mich schwer, meine Hand darin wieder zu finden. Eigene Projekte verwirkliche ich ja in meiner Freizeit bei den Comics.
Comics:
1. Wie weit bist Du mit "WEISSE LÜGEN" voran gekommen? Bis wann planst Du, diese Deine Graphic Novel fertig zu stellen? Oder möchtest Du Dich dabei nicht in einen engen Zeit-Rahmen pressen lassen und willst Dir etwas mehr Freiheit nehmen, bis der Comic am Ende dann genau so geworden ist, wie Du ihn Dir heute in Deinen Träumen vorstellst?
Die letzten Monate habe ich damit zugebracht, Material, das nach meinem Festplattencrash verloren war, wieder zu rekonstruieren- und sitze endlich wieder an neuen Seiten. Einen festen Zeitplan habe ich nicht- aber ich versuche so schnell es geht damit weiter zu kommen.
Zum Glück aber habe ich keinen Zeitdruck- sonst wäre die Arbeit daran sicher nicht der Spaß, den ich damit habe.
2. Können wir darauf hoffen, dass wir uns irgendwann einmal "WEISSE LÜGEN" nicht nur anschauen, sondern auch auf russisch durchlesen werden können?
Meine gute Freundin Aliona hat netterweise angeboten, eine russische Übersetzung anzufertigen sobald erste Kapitel komplett sind. Also sollte eine zeitnahe Übersetzung kein Problem darstellen.
3. Was denkst Du in Bezug auf das weitere Schicksal des Mediums Comic? In Russland sind Comics nicht besonders populär. Wird sich dieses Medium in Zukunft irgendwie weiter entwickeln? Oder hat es wenig Perspektive neben dem Kino und Videospielen?
Hier in Deuschland sind Comics auch nicht gerade jedermanns Lieblingslektüre. Und als ich vor einigen Monaten an einer Schule unterrichtete, fand ich es sehr ernüchternd, feststellen zu müssen, daß, wenn überhaupt Comics gelesen werden, eher die weniger lesenswerten Mangatitel gekauft werden. Dabei gibt es auch da echte Meisterwerke…
:-(
Digitale Comics gehen aber nach wie vor recht gut- besonders wenn sie umsonst sind.
Als Medium werden sie aber sicher nie so Massenzugänglich werden wie Filme oder Games.
4. Welche Ratschläge würdest Du einem jungen Comic-Autoren geben?
Man sollte finanzielle Interessen hinten anstellen- sonst wird man nur endtäuscht.
Wenn man sich damit abgefunden hat, von Comics nicht leben zu müssen, so kann man die Arbeit daran auf eine völlig neue Art genießen., Zumindest ergeht es mir so….
Filme, Literatur und andere Hobbys:
1. Welche Filme haben Dich in letzter Zeit besonders stark beeindruckt? Welche neuen Filme erwartest Du voller Ungeduld?
Beeindruckt: Les Miserables, Argo, Cloud Atlas, Django Unchained, The Hobbit
Erwartet: Stoker, Upside Down.
2. Welcher Film war Dein Favorit bei der diesjährigen Verleihung der Oscars? Bist Du mit der letzten Oskar-Verleihung völlig zufrieden?
Life of Pi!
Zufrieden?- ich denke schon. Besonders Daniel Day Lewis Oscar für Lincoln war klar verdient!
3. An welchem Film würdest Du gerne als Art-Direktor arbeiten/hättest Du gerne als Art-Direktor gearbeitet gehabt? Bezogen auf alle Filme, von denjenigen, die in der Vergangenheit bereits gedreht wurden, bis hin zu denen, von denen nur der zukünftige Drehstart bekannt ist?
Alles, was von David Lean war. John Box, der Artdirector seiner Filme, ist ein Idol für mich. Und ich glaube, Artdirection bei einem Film von Ridely Scott ist ein tolles Lernerlebnis.
4. Welchen Film hättest Du gerne selber gedreht gehabt?
Lawrence of Arabia, Come and See: Иди и смотри
5. Arbeitest Du lieber in vollkommener Stille oder mit Musik in den Kopfhörern? Wenn Du Musik bevorzugen solltest - welche Stücke hörst Du dann am liebsten bei der Arbeit?
Ambient Musik. Also Biosphere, Hol Baumann oder andere „Klangtapeten“, die nicht zu sehr von der Arbeit abhalten- aber eine besondere Atmosphäre entfalten.
6. Spezial - Frage von sonnedre: Ich mag sehr gerne Wikinger und alles, was zu diesen dazu gehört.
http://forum.worldofplayers.de/forum...748-Viking-FAQ
Interessierst Du Dich für dieses Thema?
In Nordmar gab es viele Andeutungen auf Wikinger. Wo hattest Du die Inspirationen dafür gefunden gehabt?
Die Inspiration dazu kam von Michael Crichton´s EATERS OF THE DEAD, das auch als THE 13TH WARRIOR verfilmt wurde. Ich mag Vikinger- und mochte besonders die Interpretation der Stilelemente in HOW TO TAME YOUR DRAGON.
7. Könntest Du uns ein paar Worte zu Risen 2 sagen, falls Du es durchgespielt haben solltest?
Durchgespielt? Leider nicht. Ich finde, es ist ein solider Handwerklich gut gemachter Teil. Nur sprang bei mir der Funke nicht über…
Die Fragen stammen von: AgooreZ, Digan, sonnedre, Vladgamer, StoneCookie, Olor1n, Meuterer, Rever, zandr, Energorus, Lord Von, ed2ken, LEDsky, elind.
Das Interview führte elind
geschrieben von MisterXYZ